Zwei Ukrainerinnen stoßen zur Tischtennis-Familie
AUGSBURGER ALLGEMEINE (OLIVER REISER) vom 29.04.2022:
Langweid Seit vielen, vielen Jahren ist der TTC Langweid für seine familiäre Atmosphäre bekannt und bei den Spielerinnen aus aller Herren Länder beliebt. Ganz früher gab es mal das Frauenhaus im Ortszentrum, in dem die Spielerinnen vor und nach den Spielen untergebracht waren, zuletzt wohnten die Aktiven in einer Ferienwohnung in Achsheim. Ebenfalls mit Familienanschluss. Für die beiden Neuzugänge Ganna Farladanskaya und Diana Styhar könnte das auch bald gelten, denn in Langweid hat man viel vor mit den Ukrainerinnen.
Das sieben Monate alte Tochterehen Arina schlummert selig im Arm ihrer Mama Ganna Farladanskaya, als die ihrem neuen Arbeitsplatz in der Langweider ‚Dreifachturnhalle einen Besuch abstattet. Mit dem Zug sind Mutter und Tochter aus Kolbermoor angereist, wo die junge Mama zuletzt für die zweite Garnitur des Bundesligisten in der 2. Liga gespielt hat. Zunächst ist sie immer nur zu den Spielen angereist, dann sorgten Schwangerschaft und Geburt für eine Pause.
Nach Beginn des Krieges in der Ukraine ist sie mit ihrem Baby und einer Freundin dann nach Kolbermoor geflüchtet. „Wir sind mit dem Taxi erst nach Moldawien gefahren, von dort aus mit dem Zug über Rumänien und Ungarn nach Wien und schließlich nach Rosenheim“, erzählt die 33-Jährige in perfektem · Deutsch. Sie hat die Sprache auf der Universität studiert, Englisch an der Schule gelernt. Da sie schon vor Ausbruch des Krieges in Kolbermoor gespielt hatte, kam sie über ihren Trainer, den Vereinsvorsitzenden der DJK und die Dritte Bürgermeisterin des Ortes zu einer Wohnung. Bei den letzten Heimspielen war sie zwar bei ihrer Mannschaft, mit den Gedanken aber auch stets in ihrer Heimat.
„Mein Mann darf nicht ausreisen und muss noch mindestens bis 25. Mai in der Ukraine bleiben“, erzählt Farladanskaya, die Annja genannt wird. Denn Männer zwischen 16 und 60 Jahren dürfen nicht ausreisen. Ihr Ehemann ist jedoch nicht beim Militär. Als Tischtennisspieler hat der 26-Jährige bereits wieder die ersten Turniere bestritten. In unserer Heimatstadt Odessa ist es ziemlich ruhig. Da kehrt das Leben schon wieder ein bisschen zurück“, berichtet Farladanskaya. „Städte, in denen es ruhig ist, zeigt das Fernsehen nicht.“ Trotzdem sagt sie: „Ich habe schon Angst zurückzugehen. Mit Kind ist es nicht so leicht.“ Sie hofft deshalb, „dass Putins Raketen bald zu Ende sind“.
Für Farladanskaya, die auch schon in Schweden, Italien und Griechenland gespielt hat, bedeutet Tischtennis eine willkommene Abwechslung, wenngleich sie auch während der Spiele nach wie vor Gedanken an den Rest der Familie hat. ,,Ich kann nicht sagen, was in den nächsten Wochen geschieht. Ich möchte die Zeit mit meinem Kind verbringen, versuchen, ein ganz normales Leben zu führen, und auch ein bisschen trainieren.“ Das könnte schon bald in Langweid geschehen, denn die Verantwortlichen suchen gerade nach einer passenden W ohnung für die Ukrainerin und ihren Mann, die beiden in das Jugendtraining des TTC eingebunden werden sollen. Die kleine Arina hat auf W eichbodenmatten krabbelnd schon einmal die Halle erkundet.
Wie familiär die Situation in Langweid ist, hat Ganna Farladanskaya auch am eigenen Leib verspürt. Zusammen mit ihrem Baby hat sie im Hause des langjährigen ehemaligen Vorsitzenden Gert Jungbauer übernachtet, bevor sie am nächsten Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Kolbermoor zurückgefahren ist.
Auch Diana Styhar wird das bald erfahren. Die Ukrainei:in wird vom TTC Eppan/Bozen nach Langweid kommen. Genau zu diesem Verein wechselt ja bekanntlich die Italienerin Loan Le, während die Engländerin Charlotte Bardsley ihre Tischtenniskarriere beenden wird, um an der Universität von Cambridge zu studieren. „Die Mannschaft steht“, freut sich Teammanagerin Cennet Durgun, die ihre neuen Schützlinge das erste Mal im September um sich scharen will.
Während die Abgänge von Bardsley und Le bekannt waren, kommt einer weiterer überraschend. Maria Eliasova (geborene Krazelova) hat sich der SpVgg Westheim angeschlossen und wird dort künftig in der Männermannschaft spielen. „Weil sie in Steppach wohnt, haben wir sie nach Westheim ins Training geschickt“, lässt TTC-Vorsitzender Alois Biller wissen, dass er mit dieser Entscheidung nicht einverstanden ist. „Da bin ich schon sauer, weil das ohne unser Wissen geschehen ist.“